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Wieder schmerzfrei und mobil

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In Südtirol werden pro Jahr etwa 1100 Hüft- und 900 Knieprothesen eingesetzt. Was Patientinnen und Patienten bei einer OP an Hüfte oder Knie erwartet, wie dabei genau vorgegangen wird und wie es danach weitergeht, erklären die Fachärzte Dr. Markus Mayr und Dr. Thaddeus Bernardi im Interview.
Welche Arten von Prothesen gibt es?

Dr. Markus Mayr: Es gibt viele verschiedene Arten von Gelenksprothesen, die sich in Form, Materialien und Verankerung im Knochengewebe unterscheiden. Die Implantate im Hüftgelenk, die im Knochen verankert sind, bestehen meist aus Titan und sind porös beschichtet. Das begünstigt die Integration im Knochen. Damit die Gleitpaarung so gut als möglich gelingt, sind die Flächen in Bewegung aus Keramik oder Polyäthylen. Im Kniegelenk hat sich eine spezielle Metall-Legierung mit besonderer Elastizität und Oberflächenbeschaffenheit bewährt.

Wie werden die Gelenke im Körper verankert?

Dr. Markus Mayr: Es gibt eine zementfreie und die zementierte Verankerung. Es hängt von Art und Form der Prothese und von der Beschaffenheit des vorliegenden Knochengewebes ab, ob die zementfreie oder die zementierte Fixation gewählt wird.

Zu welchem Zeitpunkt wird ein Gelenk ersetzt?

Dr. Thaddeus Bernardi: Ein Gelenk sollte dann ersetzt werden, wenn Schmerzen und Bewegungseinschränkungen die Teilnahme am normalen Leben nicht mehr möglich machen. Patientinnen und Patienten sagen dann: Ich möchte die Schmerzen nicht mehr aushalten müssen.

Welchen Herausforderungen begegnen Chirurgen?

Dr. Markus Mayr: Im Bereich der Hüfte muss das Implantat im Knochen in korrekter Position verankert werden, ohne dabei die Muskulatur zu verletzen. Bei angeborenen Anomalien kann das sehr herausfordernd sein. Im Bereich des Kniegelenkes ist es wichtig, die Bandspannung wieder optimal herzustellen, damit die Prothese schmerzfrei funktionieren kann.

Was ist das Ziel der Eingriffe an Hüfte und Knie?

Dr. Thaddeus Bernardi: Die Gelenksfunktion soll wiederhergestellt werden, d.h. die Positionierung und Verankerung der Implantate muss korrekt sein. Dabei ist die Bilanzierung im Bandapparat des Gelenks entscheidend. Bei der Knieprothesen-OP wenden wir eine neue Einbautechnik an – „kinematische Bilanzierung“ genannt. Die ursprüngliche physiologische Funktion wird so hergestellt, wie das Gelenk vor dem Entstehen der Arthrose ausgerichtet war. Das reduziert Folgeschmerzen enorm und kürzt die Heilungsdauer. Bei der Hüftprothesen-OP liegt die Herausforderung darin, die Implantate in korrekter Position auch in Bezug auf Rotation und Länge zu bringen. Patienten sollen nach der OP eine korrekte, seitengleiche Beinlänge haben. Aus dem präoperativen Hinken soll ein postoperatives ausgeglichenes freies Gangbild erreicht werden. Wir verwenden dazu digitale präoperative OP-Planung.

Wie lange haben Betroffene nach einer Operation Schmerzen?

Dr. Markus Mayr: Wir müssen eine Knieoperation von einer Hüftoperation unterscheiden. Im Regelfall verspüren Patientinnen und Patienten, die einer Hüftoperation unterzogen werden, nur geringe Schmerzen. Nach einer Knieprothesen-Implantation hingegen können während der ersten Tage und Wochen deutliche Schmerzen auftreten. Um diese rechtzeitig und effizient zu behandeln, ist ein gutes Zusammenspiel zwischen Anästhesisten, Physiotherapeuten und Orthopäden hilfreich und notwendig.

Wie lange hält eine Prothese?

Dr. Markus Mayr: Der Fortschritt in der chirurgischen Technik, des Implantatdesigns und der Materialien hat den Kniegelenks- und den Hüftersatz zu erfolgreichen orthopädischen Operationen werden lassen. Patienten haben weniger Schmerzen, verbesserte Beweglichkeit und gestiegene Lebensqualität. Die Haltbarkeit der künstlichen Kniegelenke ist jedoch nicht unbegrenzt. Man kann davon ausgehen, dass in 85 bis 90 Prozent der Fälle die Kniegelenke nach 15 Jahren noch stabil funktionieren. Mit der Zeit kommt es zu Abnutzungserscheinungen und Lockerungen. Instabilität und Infektionen können Folgen sein, die Schmerzen und Funktionsverlust verursachen. In solchen Fällen bedarf es dann eines Revisions- oder Wechseleingriffes. Hüftprothesen halten in der Regel 20 bis 25 Jahre.

Ist Sport mit einer Endoprothese machbar?

Dr. Thaddeus Bernardi: Fast 9 von 10 Patientinnen und Patienten mit einem künstlichen Gelenk betreiben Sport. Mehr als die Hälfte aller Patienten mit einer künstlichen Hüfte fahren wieder mit dem Fahrrad, fast jeder Fünfte fährt wieder Ski. Sport ist immer ein Vorteil für den Bewegungsapparat und ein kluges Training auch gut für eine Prothese. Dabei wird Muskulatur aufgebaut und idealerweise Übergewicht verringert. Am besten geeignet sind schnelles Gehen und Schwimmen. Von Kontaktsportarten, bei denen der Gegner nicht einschätzbar ist, raten wir ab. Tennis und Volleyball hingegen sind unbedenklich. Bewegung ist wichtig; wir motivieren Menschen zu einem gesunden Sportverhalten.
Dr. Markus Mayr
Dr. Markus Mayr ist Facharzt für Orthopädie und Traumatologie, auf Knie- und minimalinvasive Hüftgelenksprothetik spezialisiert und seit 2008 Teil der orthopädisch-unfallchirurgischen Gemeinschaftspraxis OrthoPlus in Bozen. Er operiert in der CityClinic in Bozen Süd. Dr. Markus Mayr studierte in Wien und Innsbruck Medizin. 1999 arbeitete er als Assistenzarzt im Krankenhaus Bozen, bevor er 2000 an das Wirbelsäulenzentrum der Orthopädischen Klinik Harlaching in München wechselte. Von 2001 bis 2003 war er Assistenzarzt am Rotkreuzkrankenhaus München, ab 2003 am Klinikum Rosenheim. 2004 legte er in München die Facharztprüfung in Orthopädie ab. Er hielt sich zu Weiterbildungen in den USA, Neuseeland und Großbritannien auf. Von 2004 bis 2007 war er als Oberarzt für Orthopädie und Traumatologie am Krankenhaus Bozen tätig.
Dr. Thaddeus Bernardi
Dr. Thaddeus Bernardi ist auf Hüft- und Knieendoprothetik spezialisiert, arbeitet seit Februar 2022 in der orthopädisch-unfallchirurgischen Gemeinschaftspraxis OrthoPlus in Bozen und operiert in der CityClinic in Bozen. Nach dem Medizinstudium in Innsbruck begann er 2001 seine Facharztausbildung an der orthopädisch-unfallchirurgischen Abteilung des Krankenhauses Brixen. 2005 und 2006 befasste er sich an der Uniklinik Innsbruck intensiv mit minimalinvasiver Gelenkschirurgie. Ab 2006 war Dr. Bernardi im Krankenhaus Brixen verantwortlicher Facharzt der Orthopädischen Gelenkschirurgie und Unfallchirurgie. Die Auseinandersetzung mit der Hüft- und Knieendoprothetik führte ihn zu Gastaufenthalten und Weiterbildungen in die Schweiz, nach Österreich, Großbritannien, Frankreich und in andere Regionen Italiens.